Louis Begley: Memories of a Marriage. 2013


Narration starts in the year 2003 (-> George W. Bush: „mission accomplished“)

Eingangs erzählt der Erzähler von einem Besuch des New York State Theater, Ballett, aber leider nicht eins von seinem guten Freund Jerry Robbins, berühmter Choreograph, mit dem er befreundet war. - Damit ist die gesellschaftlich-kulturelle Stellung des Erzählers schon einmal ziemlich genau markiert.


In der Pause geht der Erzähler draußen ein wenig spazieren und lässt dabei für den Leser sein Leben mit seiner Frau Bella und seiner Tochter Agnes Revue passieren. Agnes ist früh gestorben (getötet durch einen Baum im Central Park, der auf sie fiel). Seine Frau, wie er literarisch tätig, verstarb an „lymphoblastic leukemia“. Sie ist in Paris begraben, da ihre Familie dort lebte, und ihrer beider Leben spielte sich ab zwischen New York und Paris. Harmonische Ehe, es gab nie Streit!* - Damit ist einerseits auf eine gewisse Weltläufigkeit verwiesen. Die Romanhandlung spielt also gesellschaftlich gesehen in der Oberliga. Und andererseits wird damit die Welt des Erzählers in einen Kontrast versetzt zu der vertrackten Welt da draußen, über deren Irrungen und Wirrungen man aus der sicheren Position des Unbelasteten und emotional gut Behausten souverän berichten kann, wie man sehen wird.


In dieser ersten Pause des Ballettabends trifft der Erzähler dann auf eine Frau, die er vor zig Jahren kennengelernt hat: Lucy aus der Rhode Island Dynastie de Bourgh, die einen alten Freund oder Bekannten namens Thomas Snow geheiratet hat. Er geht etwas unwillig und nur zögerlich auf diese Wiederbegegnung ein, möchte Lucy am liebsten gleich wieder loswerden. „Philip“! hört der Erzähler sich rufen, und damit erfährt der Leser des Erzählers Namen.


In der zweiten Pause versucht Philip, einer weiteren Begegnung mit Lucy aus dem Weg zu gehen.


Aber es kommt anders. Und davon handelt das Buch. Die beiden werden sich noch oft treffen. Aber nicht diese Treffen sind das Entscheidende, sondern die Vergangenheit, die dadurch ins Leben gerufen wird. Das Buch handelt also vor allem von dem vergangenen Leben von Lucy und ihrem Mann Thomas. Und da Philip völlig vor den Kopf gestoßen wird dadurch, dass Lucy sich auf Thomas immer nur mit den Worten „the monster“ bezieht, beschließt er, Freunde und Verwandte der beiden aufzusuchen, um ein objektives Bild zu bekommen.


Erzähltechnisch kann man nun voraussagen, was passiert: Philip kommt mit vielen ins Gespräch und erhält ein widersprüchliches Bild der Situation. Aber statt hier darauf einzugehen (Sie sollen das Buch schließlich selber lesen!), sei erwähnt, dass Louis Begley, ebenfalls erzähltechnisch gesehen, mit dem Leser sein Spiel treibt. Philip behauptet nämlich, dass er zur Zeit der „Interviews“ mit den Freunden der Familie an einem ganz anderen Buch schreibt, dessen Vollendung merkwürdigerweise zusammenfällt mit den letzten Kapiteln dieses Buches. Wer glaubt, dass das ein anderes Buch ist, an dem er schreibt, wird selig…


Am Ende wird deutlich, dass das Leben weitergeht und die Gesellschaft sich verändert, auch wenn das den noch lebenden Protagonisten der Vergangenheit nicht immer klar wird. Die noch lebenden Protagonisten der Vergangenheit werden indes bald nicht mehr zu den Lebenden gehören. Die verstreichende Zeit nimmt auf sie keine Rücksicht.


Und noch etwas zum Schluss: Ja, Philip erliegt irgendwie dem Charme der reichen Lucy. (Sonst wäre dieses Buch ja nicht geschrieben worden…). Aber schafft er es, nicht von ihm oder von ihr gebannt zu werden? Das letzte Kapitel, ja erst der letzte Satz des letzten Kapitels des Buches gibt darauf die Antwort.

*(Interessante Dichotomie bei Erzählerehepaar und „erzähltem“ Ehepaar: Ehe toll, aber Kind tot. Ehe am Arsch, aber - soviel sei verraten - Kind toll. Lehre: Man kann nicht alles haben. Oder: Man muss für alles bezahlen. Oder: Es bleibt immer alles im Gleichgewicht. Sonst würde die Welt ja untergehen…)